R.I.P. Scotty Moore – Nachruf auf einen Rock’n’Roll-Pionier

Gibson

Als der junge Gitarrist Winfield Scott Moore, besser bekannt als “Scotty” das erste Mal den Namen des künftigen King of Rock’n’Roll hörte, hielt sich seine Ehrfurcht in Grenzen. “Elvis Presley – what the hell kind of a name is that?” Nur wenig später stieg der Mann mit dem seltsamen Namen zum Weltstar auf und Scotty war direkt hinter ihm – für 14 Jahre.

Ein Farmersohn mit Talent

Der familiäre Hintergrund von Scotty Moore war wie der seines berühmten  Freundes Elvis wenig glamorös. Geboren 1931 als Farmersohn im Niemandsland von Tennessee, verbrachte der spätere Gitarrenpionier vier Jahre in der Navy, bevor er nach Memphis zog und zusammen mit Bassist Bill Black die Starlite Wranglers gründete. Dabei schloss Moore, den Zeitgenossen als ruhigen und vernünftigen Menschen beschrieben (rare Eigenschaften im Rock’n’Roll-Business), Freundschaft mit Sam Phillips, dem legendären Gründer von Sun Records. Durch diesen landete der Gitarrist schließlich in jener berühmten Aufnahmesession mit dem jungen Elvis, die – wie es sich für schicksalhafte Momente so gehört – beinahe in die Hose gegangen wäre.

Dass mit “That’s All Right” doch noch ein mehr als respektables Ergebnis heraussprang, lag auch an der Spontaneität und Musikalität von Moore und Black. Vor allem die geschmackvollen Gitarrenlicks von Fingerpicker Moore, die man aus heutiger Perspektive getrost als “funky” bezeichnen kann, tragen zu dem locker beschwingten Charakter des Songs bei. Dabei war dieser, wie Elvisfans natürlich längst wissen, gar nicht geplant. Vielmehr entsprang er einer spontanen Laune des zu diesem Zeitpunkt bereits ziemlich enttäuschten Sängers. Moore und Black stiegen ein, Sam Phillips war begeistert und fertig war die Single.

Sun Studio, Memphis

Im Sun Studio ging Scotty Moore viele Jahre lang ein und aus

Von da an ging es rund für die neu gegründeten Blue Moon Boys, bestehend aus Presley, Black, Moore und dem Drummer D.J. Fontana. Zwar war “That’s All Right” eher ein regionaler Erfolg, doch der Aufstieg von Presley erwies sich als unaufhaltsam. Mit Rock’n’Roll-Krachern wie “Hound Dog” oder “Heartbreak Hotel” wurde der Hüftschwung von “Elvis the Pelvis” schon bald zu einer nationalen Angelegenheit. Leider zahlte sich das für die Musiker hinter dem King of Rock’n’Roll weniger aus als für den Cadillac-Sammler Elvis selbst.

Scotty Moore wurde schnell vom Manager der Blue Moon Boys zu einem bezahlten Sideman degradiert. Sein Lohn war alles andere als üppig, Freundschaft hin oder her, sodass Moore und Black im Herbst 1957 kurzzeitig empört kündigten – eine Entscheidung, die allerdings nur einen Auftritt des King of Rock’n’Roll Bestand hatte. Letzten Endes spielte Moore bis 1968 immer wieder für Elvis.

Scotty Moore – Produzent, Gitarrenlegende und Vorbild

Der Musik kehrte Scotty Moore auch danach nie den Rücken, obwohl er stellenweise nur noch als Produzent tätig war und schon mal seine alten Effektgeräte jüngeren Kollegen schenkte. In den frühen 90ern kehrte er auf die Bühne zurück, unter anderem mit Rockabilly-Legende Carl Perkins. Dabei präsentierte er sich so entspannt und ausgeglichen wie 30 Jahre früher.

Und die Gitarrenkünste des Rock’n’Roll-Pioniers? Während Elvis-Fans gerne unterstreichen, dass Moore so etwas wie ein (schlecht bezahlter) älterer Bruder des King of Rock’n’Roll war, den dieser mit Fragen über Gott und vor allem die Welt löcherte, betonen Gitarristen seine Fähigkeiten an den sechs Seiten. Dabei war der Gitarrist weder Wirbelwind noch ausgefuchster Techniker und ganz bestimmt kein Showman. Aber er war einer der ersten, der Jazz, Country und Blues in dieser ganz bestimmten Art und Weise kombinierte, bei der wir heute sofort an den Namen “Rockabilly” denken und dieses charakteristische Zappeln in den Zehen spüren. Und er hatte Geschmack – noch eine Eigenschaft, mit der nicht jeder Musiker gesegnet ist. Gleichzeitig war der zurückhaltende Moore jederzeit in der Lage, ein explosives Solo zu zünden.

Auf diese Art und Weise und mit Songs wie “Mystery Train” wurde Moore zum Vorbild vieler jüngerer Gitarristen. Darunter waren so illustre Gestalten wie Keith Richards oder Jeff Beck. Sie studierten nicht nur jedes Lick des Rock’n’Roll-Pioniers, sondern fragten diesen auch regelmäßig um seine Meinung. Damit ist jetzt leider Schluss. Scotty Moore starb am Dienstag den 28. Juni im Alter von 84 Jahren.

 

 

Titelbild

gibson 335 by John Tuggle / CC BY 2.0

Sonstige Fotos

Sun Studio von Mark Stephenson / CC BY-ND 2.0