The Reverend Horton Heat – eine Legende!

THE REVEREND HORTON HEAT

das muss man mal klar und deutlich aussprechen, sind nicht weniger als eine lebende amerikanische Rock’n’Roll Legende.  1985 in Dallas, Texas, gegründet, hat das Trio um den „Reverend“ Jim Heath Anfang des Jahres ihr elftes Album „REV“ auf dem US-Indie Victory Records veröffentlicht und legt darauf trotz fast drei Dekaden ununterbrochener musikalischer Aktivität keinerlei Ermüdungserscheinungen an den Tag. Während der gerade laufenden Tour durch den Westen der USA nahm sich der Reverend zwischen Soundcheck und Show in San Diego, CA etwas Zeit, um mit RUMBLE 59 über seine bewegte Karriere zu plaudern.

Jim Heath im Interview

THE REVEREND HORTON HEAT

Jim Heath – THE REVEREND HORTON HEAT

Jim, du wurdest 1959 in Texas geboren und hast die meiste Zeit deines Lebens in Dallas gelebt. Wo liegen für dich persönlich die Vorzüge dieser Stadt?

Jim Heath: Meine Familie lebt hier. Meine Eltern bis zum Ende ihres Lebens begleiten zu können, war großartig. Ebenso kann ich hier in der Nähe meiner Frau und meiner Kinder sein. Das ist das eine, das andere ist, dass es hier wirklich eine tolle Musikszene gibt. Der dritte Vorteil ist, dass Dallas so zentral in Amerika liegt, dass wir relativ problemlos an die Ostküste kommen, um dort zu touren, aber auch genauso schnell im Westen sind, so wie jetzt gerade. Selbst für größere Bands von der Ostküste ist es oft schwierig bis unmöglich, an die Westküste zu gelangen und umgekehrt.

Deine Musikerkarriere ist erst im zweiten Anlauf richtig durchgestartet. Bevor der Reverend zum ersten Mal die Bühne betrat, hast du ein relativ gesetztes Leben als Jim the Sound Guy geführt. 

Jim Heath: Naja, ich war vorher, als ich auf der High School in der 11. oder 12. Klasse war, bereits in einer Band, die getourt ist und Geld verdient hat. Ich wusste immer, dass ich Geld damit verdienen kann, Musik zu spielen. Das Überraschende an THE REVEREND HORTON HEAT war, dass das mit Musik funktioniert hat, die ich selbst geschrieben habe. Musik, die ich wirklich mag, anstatt Cover Songs von anderen Leuten. Aber ich hätte niemals gedacht, dass sich meine Idee einer kleinen, lokalen Rock’n’Roll Band zu etwas entwickelt, was jetzt schon fast dreißig Jahre andauert. Wir haben mit dieser Band die gesamte Welt gereist, das ist wirklich ein Geschenk.

THE REVEREND HORTON HEAT bringen eine Menge Stile zusammen, von klassischem Rock’n’Roll oder Surf über Country und Blues bis hin zu American Punk, Psychobilly oder Rockabilly. Bildet diese musikalische Breite deinen persönlichen Musikgeschmack ab?

Jim Heath: Ja, tut sie. Ich mag eigentlich alles aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Das ganze coole Zeug, die Atomic Furniture oder die Country Music aus der Zeit. Ich mag aber auch Henry Mancini, Nelson Riddle oder Dean Martin, Surf oder Garage Rock, die frühen Sechziger, all das ist auf meinem Radar.

Gibt es Grenzen für das, was THE REVEREND HORTON HEAT musikalisch tun und lassen können, oder bist du eher experimentierfreudig?

Jim Heath: Ich experimentiere schon hin und wieder, aber was ich in erster Linie versuche, ist meinen eigenen Sound und Stil zu formulieren. Die Grenzen dieses Stils breche ich immer wieder, aber nicht zu sehr. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, in absehbarer Zeit ein Kunst-Rock-Album oder Hip-Hop zu machen (lacht).

Als was für eine Art von Songwriter würdest du dich beschreiben?

Jim Heath: Ich bin eher ein traditioneller Songwriter. Meistens habe ich am Anfang einen Text, zu dem dann eine Melodie oder ein Lick auf der Gitarre dazukommt. Was mir wichtig ist, ist dass man meine Texte verstehen kann. Ob sie traurig oder lustig sind, sie sind im Wesentlichen frei von Abstraktionen. Stattdessen erzählen sie meistens kleine Geschichten, auch wenn diese manchmal albern sind. Mein Stil ist es, gerade heraus zu sein.

Deine Texte haben immer etwas sehr ehrliches. Hast du manchmal das Gefühl, zu viel von dir preiszugeben? 

Jim Heath: Leute wollen sich mit einem Song identifizieren, und ich hoffe, dass ich ihnen das bieten kann. Aber würde ich die Songs tatsächlich genau so schreiben, wie ich bin, wäre das einfach fürchterlich langweilig, und niemand würde sich das anhören wollen.

Ich versuche natürlich, ehrlich zu sein, aber ein Song darüber, seiner Steuerpflicht nachzukommen? Keine gute Idee. Ein Song über die Benutzung von Truck Stop Toiletten? Ich weiß nicht, das ist einfach kein gutes Material (lacht).

Du hast mit „REV“ soeben dein elftes Studioalbum veröffentlicht. Auf einer Skala von „Das Album als künstlerisches Statement“ bis „Mehr Musik, um auf Tour zu gehen“, wo würdest du dieses Album einordnen?

Jim Heath: (lacht) Ich möchte wirklich nicht damit anfangen, meine Alben zu bewerten. Auf einer Skala von 1 bis 10 sind sie für mich all eine 10. Dennoch ist dieses Album vermutlich das, mit dem ich am meisten Vergnügen hatte, aus dem Grund, dass ich es vollständig selbst gemacht habe, ohne Produzenten. Vielleicht hat es ein paar Fehler und ist nicht so perfekt, wie es hätte sein können, aber es ist auch ziemlich viel daran gut geworden. Das Album davor sollte ein Countryalbum werden, und auf eine Weise ist es das auch geworden.

Ich habe dann lange mit Jimbo darüber diskutiert, wie es weiter gehen soll. Wir waren uns einig, dass wir eine Rock’n’Roll Band sind und zu unserem Sound der Mittneunziger zurückkehren wollten.

Die Frage drängte sich mir deshalb auf, weil der Titel „REV“ etwas Definitives hat, so wie „das hier ist es, worum es bei THE REVEREND HORTON HEAT geht“.

Jim Heath: Man kann wirklich sagen, dass es bei dieser Platte hauptsächlich um mich geht. Ich habe das gesamte Aufnahmeequipment beschafft, ich war Engineer, Mischer und Produzent, das ganze Ding bin ich. Das meiste davon haben wir sogar direkt in unserem Proberaum in Dallas aufgenommen. Als wir dann auf der Hälfte der Produktion den Deal mit Victory Records abgeschlossen haben und mehr Geld zur Verfügung hatten, haben wir zusätzlich noch ein Studio gebucht, um die Platte an ein paar Stellen zu veredeln oder einfach nur ein paar Prozesse zu beschleunigen.

Es war harte Arbeit, aber es war auch toll, weil wir uns einfach zum Spielen treffen konnten. Und wenn nichts dabei herumkam, war das auch egal, weil wir an einem Tag in unserem Proberaum keine $500 für Studiomiete verplempern. Das war sehr befreiend, und ich kann es nicht erwarten, noch ein Album auf diese Weise zu machen.

Eine Menge deiner Songs, wie zum Beispiel „Baddest of the Bad“ oder „Where the Hell did you go with my Toothbrush“ handeln von unglücklich geendeten Beziehungen. Was ist das mit diesen unglücklichen Beziehungen, dass so dermaßen viele gute Songs aus ihnen hervorgehen? 

The Reverend Horton Heat - Rev

CD & LP – The Reverend Horton Heat – Rev

Jim Heath: (lacht) Nun, ein Grund ist sicher, dass da schon etwas Komisches dran ist, dieser einen Person so dermaßen zugeneigt zu sein, dass man dieses ganze blöde Zeug veran-staltet. Man blickt da oft zurück und denkt sich, „ich dachte, ich wär mal in dieses Mädchen verliebt gewesen, aber das ist alles so peinlich“. Ich glaube, damit kann sich jeder identifizieren, der schon mal verlassen worden ist. Für mich sind diese Songs so eine Art Therapie.

Was ist das Geheimnis, eine Band für so eine lange Zeit in so guter Form zu bewahren, wie du es geschafft hast?

Jim Heath: Zuerst natürlich die Liebe zur Musik. Dann eine gute Arbeitsethik. Wir sind mal an den Punkt gelangt, an dem wir eine heftig feiernde Band waren, und die Leute heftige Partys von uns erwartet haben, wo auch immer wir hingekommen sind. Wir haben dann eine bewusste Entscheidung für die Musik ge-troffen und gegen die Party drum herum. Wir haben immer Spaß, und sobald die Show beginnt, gibt es auch ein paar Drinks für uns. Aber die ganztägigen Partys mussten wir irgendwann beenden. Von dem Moment an haben wir auch besser gespielt. Viele Bands gelangen nicht an diesen Punkt, und irgendwann stirbt einer von ihnen an einer Überdosis. Bei uns gab es so etwas nicht.

Reverend-Facts:
Jim ist leidenschaftlicher Sammler von Oldtimern, hat aber nie mehr als zwei davon gleichzeitig in seinem Besitz gehabt: „Im Moment besitze ich einen 1932er Ford 5-Window Coupe, für den ich viele Teile auf Flohmärkten gekriegt habe. Ich bin selbst eher ein stolzer Besitzer als ein Schrauber, aber ein Freund von mir ist ein genialer Mechaniker.“

Jim ist Pate der G6120RHH Reverend Horton Heat Signature Guitar aus dem Hause Gretsch, die nach seinen Vorlieben modelliert wurde: „Sie ist von Hause aus sehr vielseitig, hat einen guten Klang und erlaubt eine Menge unterschiedlicher Spielweisen, ohne dass man daran irgendetwas modifizieren müsste.“

Jim hat sich an der „Guitar Hero“-Videospielversion seines Songs „Psychobilly Freakout“ versucht und musste sich geschlagen geben: „Der Typ zu sein, der den Song geschrieben hat, hilft bei diesem Spiel wirklich kein bisschen, aber ich weiß eins: Innerhalb eines halben Jahres kann man in einem Videospiel wirklich gut werden. Aber eine echte Gitarre wirklich zu beherrschen, das ist ein lebenslanger Kampf!“

Text & Interview: Peter Vignold