Albumreview: Tami Neilson – “Sassafrass”

Tami Neilson mit Playboy

In ihrer Heimat Neuseeland ist Tami Neilson ein bekannter Name, hierzulande allenfalls einigen wenigen  Musikliebhabern ein Begriff. Mit “Sassafrass” könnte sich das ändern. Der kraftvolle Mix aus 60s Soul, Rockabilly und Country hinterlässt allein wegen der beeindruckenden Stimme von Frau Neilson mächtig Eindruck.

 

Tami Neilson – Neuseelands Country und Rockabilly Queen

Abgesehen von den jüngsten traurigen Ereignissen verbindet man Neuseeland im Rest der Welt vor allem mit spektakulären Landschaften und plattfüßigen Hobbits auf Ringsuche. Ein schlagender Beweis dafür, dass auch die Musikszene des Inselstaats einiges zu bieten hat, ist Tami Neilson. Die 1977 geborene, gebürtige Kanadierin feierte schon in jungen Jahren mit der Familiencombo “The Neilsons” Erfolge. Als Solokünstlerin gewann sie unter anderem vier Mal den Preis für das beste Countryalbum bei den New Zealand Music Awards und setzte sich mit dem 2016 erschienenen “Don’t Be Afraid” auf Platz 1 der New Zealand Music Charts.

"Sassafrass" von Tami Neilson

Dabei hat Country hier rein gar nichts zu tun mit glattgebügeltem Nashville Sound für dosenbiertrinkende Pick-up-Fahrer. Stattdessen setzt Tami Neilson seit Jahren auf eine geschmackvolle Mischung aus 50s Country, Rockabilly, knarzigem Blues und stimmungsvollen Gänsehautballaden – angenehm ungeschliffen und ohne in die Nostalgiefalle zu tappen. Vor allem aber besitzt die Sängerin ein Organ, das den Großteil der Konkurrenz mühelos an die Wand drückt.

 

“Sassafrass” – der beste Soundtrack für einen Tarantinofilm, den es nicht gibt

Mit messerscharfem Bläsersatz, Frauenchor und Arschwackel-Groove lässt “Stay Outta My Business” keinen Zweifel daran: Tami Neilson und ihre Band haben Lust auf 60s Soul. Außerdem macht der Opener von “Sassafrass” deutlich, wohin der Kurs textlich geht. Ob besitzergreifende Machos, Hollywood-Stereotypen oder Männer, die Frauen ungefragt ihre Meinung aufdrängen, Tami Neilson demonstriert auf ihrem neuen Album, dass sie die Nase voll hat von Sexismus, Chauvinismus und Ungleichheit. Außerdem zollt sie mit dem funkigen “Miss Jones” Soullegende Sharon Jones Tribut und liefert eine romantische Version von “One Thought Of You”, eine Komposition ihres eigenen Vaters.

Dabei hat die Sängerin weder den Rockabilly noch den Old School Country hinter sich gelassen. Ersterer bricht sich zum Beispiel in dem fröhlichen Tanzflächenfüller “Kitty Cat” seine Bahn. “Bananas” lässt Tiki-Stimmung aufkommen und das spannungsgeladene “Smoking Gun” zelebriert minimalistisch schleppenden Blues.

Dass das alles nicht zu einer beliebigen Mischung verkommt, sondern den perfekten Soundtrack für einen – noch nicht existierenden – Tarantino-Streifen ergibt, liegt sicher auch an der versierten Begleitband, die die Sängerin seit drei Jahren auf Tour begleitet. Vor allem aber sind es die Wucht und die Vielseitigkeit der Stimme von Tami Neilson, die “Sassafrass” zu einem ungetrübten Vergnügen macht. Ob Retro Soul, Rockabilly oder dahinschmelzende 50s Ballade, sie bleibt in jedem Genre “on top”. Wie sagte ein Freund von mir einst: Anstellen zum Scheiben abschneiden.

Bleibt noch die Frage nach dem mysteriösen Albumtitel. “Sassafrass” ist ein Slangwort für Menschen, die kein Blatt für den Mund nehmen. Und auch das passt ziemlich gut.