2007 gründeten sich The Baseballs in einem Berliner Proberaumkomplex. Wenig später landeten sie mit ihrer Rockabilly-Version von „Umbrella“ einen Überraschungshit und eroberten Bühnen quer durch Europa. Im Herbst diesen Jahres geht die Band auf Tour, zum ersten Mal als Duo statt als Trio. Das Rezept ist weitgehend dasselbe geblieben: Aktuelle beziehungsweise fast aktuelle Charthits werden humor- und liebevoll in ein Rock ‘n’ Roll-Gewand überführt. Wir haben uns mit Sam und Basti darüber unterhalten, was die Musik der 50er-Jahre für sie bedeutet, wer auf ihre Konzerte kommt und warum sie fast an einer Neuinterpretation von „Candy Shop“ gescheitert wären.
RR: Ihr seid zu zweit auf Tour. Warum nur zu zweit und wie ist das so für euch als Duo? Das ist ja das erste Mal, richtig?
Sam: Das erste Mal war im vergangenen Jahr im Sommer. Aber es ist die erste eigene Tour in der neuen Konstellation. Letzten Endes hatten sich unsere Wege einfach auseinanderentwickelt. Digger hatte zu dem Zeitpunkt andere Projekte, um die er sich mehr kümmern wollte. Für uns beide war es keine Frage, dass wir weitermachen wollten.
Basti: Ehrlicherweise liegt darin eine Chance, aus eingefahrenen Strukturen auszubrechen und die Geschichte der The Baseballs nicht nur weiter, sondern auch neu zu schreiben. Das gibt uns auch Energie.
RR: Aber euch fehlt zumindest live die dritte Stimme.
Sam: Natürlich hatte Diggers Stimme eine schöne Klangfarbe, die das Ganze perfekt komplettiert hat. Als wir uns das erste Mal getroffen und dreistimmig gesungen haben, war das ein richtiger Wow-Effekt. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es so hinbekommen, dass sie nicht zu sehr fehlt. Zum Glück gibt es unsere fantastische Band und die Musiker haben ihre Mikrofone nicht nur, um reinzurülpsen. Ein bisschen Bammel hatten wir nur vor dem Vorverkauf unserer neuen Tour. Dass der richtig gut läuft, hat uns eine Last von den Schultern genommen.
“Ich bin mit Elvis aufgewachsen”
RR: Wer kommt denn zu euren Konzerten?
Sam: Alle Altersstufen, von 13 bis 83, und alle gesellschaftlichen Schichten, auch Hardcore-Rockabillies. Bei den meisten handelt es sich aber um Leute, die sich vorher noch schnell einen Petticoat mit Polka Dots kaufen und für einen Abend eine Zeitreise ins Jahr 1955 antreten. Manche entdecken sogar über unsere Konzerte den Rock ‘n‘ Roll für sich und tauchen anschließend in die Szene ein.
In den letzten Monaten waren wir außerdem verstärkt auf TikTok aktiv. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass Kids auf unsere Videos reagieren, die diese Art der Musik sonst nicht feiern würden. Das ist besonders schön, weil die Musik so am Leben bleibt.
Ich bin ja mit Elvis aufgewachsen und habe über ihn andere Rockabilly-Künstler entdeckt. Für mich ist es toll zu sehen, dass die 50er-Jahre heute wieder relevanter sind als vor zehn Jahren. Es gibt viele spannende Künstler, die nicht unbedingt Rock ‘n‘ Roll spielen, aber den Style und den Sound der 50er-Jahre aufgreifen. Die Faszination, die die 50er ausstrahlen, kommt ja nicht nur von der Musik, sondern von dem Lifestyle, der damit verbunden ist.
RR: Wie wählt Ihr die Songs aus, die Ihr covert? Ihr hattet ja mit eurem 80er-Jahre-Album ein Themenalbum, aber der Rest ist bunt gemischt. Kommt einfach einer mit einer Idee an?
Sam: Meistens kommt einer von uns und sagt: Ich habe die Nummer gerade im Radio gehört und eine Idee dazu. Sollen wir das mal probieren? Dann versuchen wir, gemeinsam etwas zu erarbeiten. Entweder funktioniert’s oder du stellst nach einem Arbeitstag fest, dass der Funke nicht überspringt.
“Candy Shop” von 50 Cent hat zum Beispiel extrem lange gedauert. Wir waren sogar kurz davor, abzubrechen, als irgendjemand von uns gesagt hat: Lass uns den Song beiseiteschieben und es später nochmal probieren. Dann haben wir Monate später weitergeschrieben und es hat geklappt.
Das Problem ist: Wenn es einmal so gut funktioniert hat wie bei Umbrella, wirst du dich immer daran orientieren. Aber leider lässt sich selten eine Nummer wirklich fast eins zu eins in den Rock ‘n’ Roll adaptieren. Wir wollen ja auch so covern, dass unser Song ohne das Original bestehen könnte.
RR: Eine 50er-Jahre-Version von “Candy Shop” zu schreiben, klingt nach einer schweren Aufgabe. War das ein Grund dafür, es zu probieren?
Sam: Ja, tatsächlich war es interessant, einen Song zu nehmen, der so weit weg von unserem Sound ist. Ich finde es auch immer wieder irre, wenn auf unseren Konzerten Kinder auf den Schultern ihres Papas sitzen und diesen eigentlich total sexistischen Song mitsingen
RR: Er wird so ein wenig unschuldig, oder?
Basti: Ja, genau, plötzlich scheint es wirklich um einen “Candy Shop” zu gehen. Manchmal erhalten Songs beim Covern eine andere Bedeutung. “Chasing Cars” ist im Original sehr melancholisch, aber bei uns eine totale Partynummer, obwohl sich der Text nicht verändert hat.
“Wir werden Rhianna ewig dankbar sein”
RR: Könnt Ihr selbst “Umbrella” noch hören?
Sam: Wir haben mal versucht, den Song so umzuarrangieren, dass für uns etwas Frisches dabei ist. Aber wir haben schnell gemerkt, dass die Leute auf den Song warten, wie sie ihn kennen. Damit haben wir uns dann angefreundet. Wir werden auch Rhianna ewig dankbar sein. Schließlich ging es für uns mit “Umbrella” richtig los.
Basti: Es gibt ein “Umbrella”-Verbot beim Soundcheck. Aber wenn wir beim Konzert merken, wie viel Freude die Leute daran haben, haben wir auch wieder jedes Mal Spaß damit.
RR: Was sind die Pläne für die Zukunft? Jetzt die Tour und dann ein neues Album?
Sam: Genau. Das nächste Album wird natürlich uns als Duo definieren. Deshalb soll es richtig gut werden.
Basti: Davon abgesehen wollen wir ein paar neue Fans finden und hoffen, dass wir einfach weitermachen können. Das ist unser langfristiges Ziel: noch einmal 15 Jahre Musik machen.
Sam: Es gibt natürlich auch noch Dinge, die wir nicht geschafft haben. Vielleicht klappt es ja doch irgendwann mit Amerika oder Asien.
Basti: Für Asien ist deine Tolle aber zu klein.
Sam: Damit kommen die in Asien bestimmt klar.
Fotos: Copyright by Pour Toi Photographie