Rockabilly Sängerinnen – eine Top 10

Im Rock’n’Roll ist es mit der Gleichberechtigung nicht immer so weit her. Das gilt besonders für den frühen Rockabilly. Als Elvis, Carl Perkins und Gene Vinzent aus schwarzem Rhythm’n Blues und weißem Country ein neues, explosives Gebräu mischten, galt die Küche als Domäne der Frau, allen vorübergehenden Emanzipationserscheinungen während des Zweiten Weltkriegs zum Trotz.

Auf der Bühne hatte sie allenfalls als romantische Balladensängerin etwas verloren, von wenigen, in der Regel afroamerikanischen Jazz- und Bluessängerinnen abgesehen. Heute sieht die Sache zum Glück etwas anders aus. Die Ladies sind zwar immer noch in der Minderzahl, zumindest bei den Rockabilly Sänger(innen) ist die Kluft aber spürbar kleiner geworden. Da ist es gar nicht so leicht, sich für eine – wie immer rein subjektive – Top Ten zu entscheiden.

1. Wanda Jackson

Unsere Nummer Eins ist wohl keine große Überraschung. Die 1937 geborene “Queen of Rockabilly” ging früh mit Elvis Presley auf Tour, der ihr riet, den Country gegen Rockabilly einzutauschen. Sie machte die leidvolle Erfahrung, dass das Publikum der Grand Ole Opry nicht viel für Rock’n’Roll übrig hatte und sang mit ihrer unverwechselbaren Reibeisenstimme das legendäre “Let’s Have A Party”. Später feierte sie Erfolge mit Country, landete mit dem deutschen Schlager “Santo Domingo” ganz vorne in der Bravo-Hitparade und konvertierte schließlich zum Gospel. Dann kam Jack White und seitdem ist sie wieder da, die Rockabilly-Wanda. Wen kümmert es da, dass sie mittlerweile schon auf die 80 zugeht, solange sie noch “Rip It Up” singt.

 

2. Janis Martin

Mit dem von ihrem Label gewählten Beinamen “The Female Elvis” war Janis Martin nie so ganz zufrieden, auch weil sie selbst Carl Perkins dem King of Rock’n’Roll vorzog. Allerdings besaß sie in den Augen vieler Zeitgenossen genug Potenzial, um dem damit verbundenen Anspruch gerecht zu werden. Ihren ersten Hit landete die 1940 geborene Rockabilly Sängerin mit “Will You, Willyum”. Zu diesem Zeitpunkt war Martin erst 15 Jahre alt. Bald darauf kam auch schon das unerwartete Ende ihrer Karriere, als die Sängerin von ihrer heimlich geheirateten Jugendliebe schwanger wurde und sich daraufhin aus dem Geschäft zurückzog. Zur Zeit des Rockabilly Revivals in England feierte sie noch einmal ein furioses Comeback vor einer neuen Rock’n’Roll Generation. 2007 starb Janis Martin an Krebs, kurz nachdem sie ihre letzte Platte aufgenommen hatte.

3. Lorrie Collins

Zusammen mit ihrem Bruder Larry Collins gehörte Lorrie Collins zu den populärsten Rockabilly Acts der 50er Jahre. Dabei waren die Collins Kids zu dieser Zeit noch Teenager und konnten in ihrer ganzen Karriere nie einen wirklichen Hit verzeichnen. Doch allein die kraftvolle Stimme von Lorrie, die erste feste Freundin von Teenage Star Ricky Nelson, sorgte dafür, dass das Duo bei einem amerikanischen Publikum zeitweise beliebter war als alle anderen Rock’n’Roll Stars Mitte der 50er Jahre. Auch ihre Karriere fand zunächst ein Ende, als sich Lorrie Anfang der 60er auf ihre Rolle als junge Mutter konzentrierte. Allerdings nahm sie später unter der Regie ihres Bruders einige Duette mit bekannten Künstlern wie Merle Haggard auf, bevor die Collins Kids Anfang der 90er ihr Comeback feierten – in England, wo auch sonst.

4. Imelda May

Sie gehört ohne Zweifel zu den ganz Großen des modernen Rockabilly. Mit ihrem Album “Love Tattoo” fegte die irische Sängerin Imelda May 2009 in ihrer Heimat den Boss von der Spitze der Album Charts und begeisterte Rockabillies, Musikkritiker und eine ganze Menge Leute, für die Rock’n’Roll bisher das war, “was dieser Elvis früher gemacht hat”. Es folgten weltweite Touren und Konzerte mit Legenden wie Jeff Beck, eine eigene Fernsehsendung und das Album “Tribal”, das da weitermacht, wo May einige Jahre vorher aufgehört hatte, und das mit Sinn und Verstand.

5. Kim Lenz

Die Tocher einer Rodeo Queen wird in Artikeln über weibliche Rockabilly Sängerinnen gerne ignoriert. Dabei hat sich Kim Lenz mit ihren Jaguars inzwischen einen brillianten Ruf bei Rockabillies und Fans von Roots-Music erarbeitet. Der Rolling Stone wagte sogar die Behauptung, dass Elvis, wäre er eine Frau gewesen, genau so geklungen hätte wie die energiegeladene Rothaarige. Auf ihrem letzten Album “Follow Me” reicherte Kim Lenz ihren 50s Rockabilly mit einem Schuss Soul an, natürlich ohne sich von ihren Wurzeln zu verabschieden.

6. Sparkle Moore

Sparkle Moore veröffentlichte während ihrer Karriere in den 50s nur eine Handvoll Singles, doch diese gelten mittlerweile zurecht als Juwelen des frühen Rockabilly. Wegen ihren schrillen Outfits, ihrer Liebe zu wildem Rock’n’Roll und Titeln wie “Killer” und “Skull and Crossbones” wird die 1939 in Omaha, Nebraska geborene Musikerin von manchen sogar als eine Punkrock-Pionierin angesehen. Von ihren wenigen weiblichen Kollegen hob sich Moore allein dadurch ab, dass sie nicht nur recht eigenwillig sang, sondern auch als Gitarristin eine prima Figur abgab.

7. Brenda Lee

Ihre erste Single “Jambalaya” / “Bigelow 6‑200” nahm Brenda Lee 1956 mit 11 Jahren auf. Später wandte sich der einstige Kinderstar der Popmusik und schließlich in den 70ern dem Country zu. Am Anfang ihrer Karriere sang Lee jedoch auch einige Rockabilly-Songs, die heute Kultstatus genießen. Dazu gehört der – allerdings recht gemächliche – Weihnachtssong “Rockin’ Around The Christmas Tree”. Dabei sorgten die geringe Größe und die kraftvolle Stimme von “Little Miss Dynamite” immer wieder für kuriose Reaktionen. In Frankreich verbreitete sich sogar das Gerücht, bei der damals 15jährigen handele es sich in Wirklichkeit um eine 32 Jahre alte Kleinwüchsige.

8. Rose Maddox

Sie ist heute vor allem als Countrysängerin und -geigerin in Erinnerung. Dabei gehörten Rose und ihre Brüder, die schon in den späten 30ern die Feldarbeit gegen das Musikmachen eintauschten, zu den Pionieren des Rockabilly. Mitte der 50er Jahre, in der Hochzeit des frühen Rock’n’Rolls, waren die Maddox Bros. and Rose mit ihrem Hillbilly Boogie ein populärer Act, der für volle Hallen sorgte und gemeinsam mit Elvis Presley auftrat. Nach der Auflösung der Band 1957 wandte sich “The Grandmother Of Rockabilly” erfolgreich dem Bluegrass zu. Auch mehrere Herzanfälle konnten Rose Maddox nicht davon abhalten, mit der Musik weiterzumachen, bis sie 1998 im Alter von 72 Jahren starb.

9. Barbara Pittman

Barbara Pittman gehörte zu den wenigen Frauen, die im Sun Studio aufnehmen durften, und war sogar die einzige, die von Sam Phillips unter Vertrag genommen wurde. Aus der Zusammenarbeit ging unter anderem das heute populäre “I Need A Man” hervor. Das allein und die Tatsache, dass die Rockabilly Sängerin seit ihrer Kindheit mit Elvis Presley befreundet war, wäre noch kein Grund, sie in diese Liste aufzunehmen. Letzten Endes aber liefert die Musik das entscheidende Argument und das ist im Fall von Barbara Pittman ein sehr überzeugendes.

10. Josie Kreuzer

Sie gehört im Vergleich zu den meisten Ladies hier zu den Jungen in ihrem Genre, beweisen muss sie aber niemandem mehr etwas. Derzeit legt die hochgewachsene Blondine eine Pause von der Musik ein. Bis diese ein Ende hat, bleibt allen Fans von swingendem Oldschool-Rockabilly immer noch die Möglichkeit, sich die drei bisher veröffentlichten Platten von Josie Kreuzer zu Gemüte zu führen und auf Nachschub zu hoffen.