Rockabilly Szene in Indonesien boomt

Rockabilly Szene in Indonesien boomt

Heiße Rhythmen aus Fernost – Rockabilly in Indonesien

Rockabilly und Indonesien, das mag für manchen eine seltsame Vorstellung sein. Schließlich ist die Inselgruppe eher für Palmen, Dschungel und hinduistische Tempel bekannt als für E-Gitarren und Elvistollen. Allerdings spielten indonesische Musiker schon vor etwa 50 Jahren eine wichtige Rolle für bundesdeutsche Rockmusikfans.

Die Indorocker der ersten Stunde

Die hatten es nicht leicht, denn Ende der 50er Jahre schien die Luft raus aus Rock´n´Roll. Eddie Cochrane war tot, Little Richard hatte sich auf Gospel verlegtundElvis Presley sang nur noch Balladen. Auch die Karriere von Jerry Lee Lewis schien beendet, nachdem die Öffentlichkeit erfahren hatte, dass der „Killer“ seine 13jährige Kusine geheiratet hatte. In der Bundesrepublik war die Situation besonders schlimm. Als „flotte Musik“ galten Peter Kraus und Conny Froboess. Die beiden Teenagerstars aber hatten mit echtem Rock´n´Roll so viel gemeinsam wie eine Vespa mit einer Harley.

In dieser Situation erschienen die indonesischen Bands, die von Holland aus nach Westdeutschland kamen, wie Gäste von einem fremden Planeten. Der Indorock, der Tielman Brothers oder der Javalins war eine kraftvolle und exotische Mischung aus Rock´n´Roll, hawaiianischer und indonesischer Musik und Surfmusik – hauptsächlich instrumental und teilweise mit drei Gitarristen.

Noch aufregender als die Musik war für viele Jugendliche in Deutschland die wilde Bühnenshow und der exaltierte Style der Indorocker. Die Musiker traten in weißen Anzügen und Glitzerjackets auf und fuhren in Luxuslimousinen zu ihren Gigs vor. Lange vor Jimi Hendrix spielten sie Gitarre mit den Zähnen und über dem Kopf und jagten über die Bühne, dass Chuck Berry seine helle Freunde daran gehabt hätte. Für eine kurze Zeit zum Anfang der 60er Jahre waren Indorockbands die großen Stars in der westdeutschen Livemusikszene. Dann sorgte der Siegeszug der Beatmusik dafür, dass Instrumentalbands mit Rock´n´Roll-Frisuren nicht mehr gefragt waren.

Doch mehr als ein halbes Jahrhundert später ist Rock´n´Roll wieder in im Heimatland der Indorocker.

Die Rockabilly-Szene in Indonesien boomt

Jakbilly - Jakarta Rockabilly

(c) Jakbilly – Jakarta Rockabilly

Wer heute durch die Straßen von Bali geht, sieht sich schnell dem stolzen Träger einer Elvistolle oder ein paar hübschen Mädchen in Petticoats gegenüber.

Früher war Punk groß unter Rockmusikfans auf der Insel. Heute tauschen immer mehr ehemalige Punkbands den E-Bass gegen einen Kontrabass und stylen sich eine Tolle. Von Rockabilly ganz im Stil der 50er bis hin zu krachigem Psychobilly reicht die musikalische Palette der Umsteiger und Neulinge. Einige davon begeistern nicht nur die heimische Jugend, sondern strecken ihre Fühler schon – in Nachfolge der Tielman Brothers – nach Europa aus.

Jakbilly - Jakarta Rockabilly

(c) Jakbilly (Jakarta Rockabilly)

Bali ist nicht der einzige Ort in Indonesien, an dem Rockabilly zunehmend Anhänger gewinnt. Wer die Facebookseite Jakbilly (Jakarta Rockabilly) besucht, kann sich davon überzeugen, dass Elvis` Geburtstag 2014 in der indonesischen Hauptstadt gebührend gefeiert wurde. Auf Veranstaltungsankündigungen heißt es hier schon mal lapidar „Dresscode Rockabilly“. Das dritte Zentrum der wachsenden Rockabillyszene in Indonesien ist Yogyakarta auf Java.

Hier treten beispielsweise im beliebten Bintang Café regelmäßig einheimische Rockabillybands auf.

Indonesische Rock´n´Roll-Bands – The Hydrant und Rescue

Einer der Namen, der immer wieder auftaucht, wenn von indonesischem Rockabilly die Rede ist, lautet „The Hydrant“. Die Band aus Bali gilt für viele als Ursprung des jüngsten Rockabilly-Trends auf der Insel. Sie genießt mittlerweile Starstatus in ihrer Heimat und durfte ihren balinesischen Rockabilly sogar schon nach Europa exportieren. Die Bali Bandidos Eurobilly Tour 2009 führte die vier Musiker nach Slowenien, in die Tschechei und nach Österreich, wo sie ihr Publikum im Sturm nahmen.

Das ist kein Wunder, denn ob Klassiker wie Blue Suede Shoes oder Eigenkompositionen, die vier Hydranten präsentieren schweißtreibenden, dreckigen Oldschool-Rockabilly erster Güte inklusive akrobatischer Bühnenshow und tadellos gestylten Tollen. Auch wer sich nicht vorstellen kann, dass die indonesische Sprache zu Rock´n´Roll passt, wird hier eines Besseren belehrt. Dazu ist Frontmann „Marshello“ nicht nur ein versierter Mundharmonikaspieler, er tut auch sein Bestes, um seinem Spitznamen „Black Elvis“ auf der Bühne gerecht zu werden.

„Rescue“ sind dagegen der Beweis dafür, dass auch die ganz junge Generation in Indonesien ein Faible für den Rock´n´Roll der 50er Jahre entwickelt. Das Trio aus Yogyakarta hat sich wie „The Hydrant“ einem klassischen Rockabilly-Sound verschrieben, den es mit allen Regeln der Kunst zelebriert.

Psychobilly von Leo Sinatra und Rumble Girl

St. Lukas Company - Indonesien - Rockabilly and more

(c) St. Lukas Company

Nicht alle indonesischen Rock´n´Roll-Bands orientieren sich an Johnny Cash, Elvis und Gene Vincent. Für Leo Sinatra waren es die australischen Psychobilly-und Punkhelden „The Living End“, die ihm die Richtung wiesen. Ursprünglich hatte sich der Gitarrist mit seiner Band Soul of Speed dem Speed Metal verschrieben. Mit „Suicidal Sinatra“ gründete er die wohl erste Psychobillyband Indonesiens, die Rockabilly-Elemente mit melancholisch punkigem Pop mischt.

St. Lukas Company - Indonesien - Rockabilly and more

(c) St. Lukas Company

Rumble Girl - Bali - Rockabilly Indonesien

(c) Rumble Girl – Bali

Leo Sinatra belässt es aber nicht beim Musikmachen. Mit seiner Frau hat er mitten in Batu Bulan einen Shop mit Kleidung für weibliche Rockabillys, Punkfans und Skater eröffnet. „Rumble Girl“ ist gekoppelt mit einem Café und wird an Wochenenden zur Bühne für junge Bands.

Die St.Lukas Company ist ebenfalls ein angesagter Shop mit angeschlossenem Friseur und einer gut bestückten Auswahl an Kleidung, Ringen und
jeder Menge T-Shirts.

Der Indorock ist also wieder lebendig. Bleibt abzuwarten, ob seine Vertreter auch irgendwann wieder deutsche Liveclubs besuchen. Zu wünschen wäre es ihnen und uns.

Text: Johannes Jooß