Psychobilly I – die Ursprünge des fröhlichen Wahnsinns

Psychobilly  der originellste Musikstil der Welt ?

Manche Fans behaupten, Psychobilly sei der originellste Musikstil, den die Welt jemals gesehen hat. Ob das stimmt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wer einmal auf einer Psychobilly-Veranstaltung war, wird der Szene aber wahrscheinlich eine hohe Wertung auf der Verrücktheits-Skala geben. Doch woher kommt eigentlich die wilde Mischung aus Punk, Rockabilly und abgedrehter Horrorfilmästhetik ?

Psychobilly entstand auf der Suche nach Spaß

Sieht man von Vorläufern des Stils ab, zu denen auch der Grusel-Bluessänger Screamin´Jay Hawkins gezählt wird, war Psychobilly ein englisches Kind. Geboren wurde es in schäbigen Londoner Kneipen und seine Eltern waren jung und auf der Suche nach Spaß.

Anfang der 80er-Jahre war diese Suche in Großbritannien nicht ganz einfach. Arbeitslosigkeit, Rassenunruhen und wirtschaftliche Umbrüche bestimmten den Beginn der Regierungsära von Margaret Thatcher und die Spaltung in links und rechts prägte auch weite Teile der Jugendkultur.

Psychobillies oder “Psychos” wollten eine Welt erschaffen, in der Politik keine Rolle spielte – “a political free zone”, wie es The Meteors ausdrückten – und stattdessen ein schriller und fröhlicher Wahnsinn reagierte. Die Dosis an Wahnsinn, mit der frühe Psychobilly-Bands ihre Musik und ihren Style versahen, war auch der Grund dafür, dass sie sich bald von der britischen Neo-Rockabilly-Szene abspalteten. Denn während Bands nach dem Muster der Stray Cats den Psychos zu retro waren, sorgten bunt gefärbte Haare, Punkattitüden und Bühnenanarchie dafür, dass Psychobilly-Bands regelmäßig von Rockabilly-Veranstaltungen ausgeschlossen wurden.

Punkgitarren, Kontrabaß und Horrorfilme

Rockabilly blieb ein zentraler Bestandteil des Psychobillys, doch kamen dazu noch eine ganze Reihe anderer Zutaten. Eine der wichtigsten davon war und ist der Punk. Psychobilly-Bands mischten dessen Rotzigkeit und Aggressivität mit geslapptem Kontrabaß und lockerem Swing. Je nach Belieben bediente man sich zusätzlich noch an anderen Musikstilen und zeigte allen Rock´n´Roll-Puristen dabei fröhlich den Mittelfinger.

Dazu kam noch ein Einfluss, der vor allem optisch seine Spuren hinterließ. Denn mit den 80er-Jahren fand in England ein Horrorfilm-Revival statt, das von Filmen wie “The Shining”, “Friday 13th” oder “An American Werewolve In London” geprägt war, heute Genreklassiker. Die Ästhethik solcher Gruselschocker und wesentlich älterer Vertreter wurde von vielen Psychobillies begierig aufgenommen.

Das Resultat waren Songs, die nicht mehr von Cadillacs oder Blue Suede Shoes, sondern von Zombies und Mutanten handelten, eine Anhäufung von Totenkopftattoos und blutiges Bühnen-Make-up. Dabei ging es weniger um eine morbide Bildsprache, die für manche Metal-Genres charakteristisch ist. Im Psychobilly stehen Zombies und Totenköpfe bis heute vor allem für den lustvollen Umgang mit Schockeffekten, die – wie so ziemlich alles andere – gar nicht ernst genommen werden.

Die ersten Psychobilly-Bands

Die englische Band, die heute gemeinhin als erste reine Psychobilly-Band gilt, sind die Meteors. Gegründet 1980 in London ist sie mit einigen Unterbrechungen bis heute aktiv. Allerdings stellt Sänger und Gitarrist P. Paul Fenech die einzige Konstante dar, der Rest der Besetzung wechselte teilweise innerhalb weniger Jahre mehrmals.

Gelten die Meteors inzwischen als Veteranen der Szene, waren sie zu Beginn der 80er-Jahre Rebellen, die mit ihrem Garagen-Rockabilly und Songs wie “Graveyard Stompin´” oder “The Hills Have Eyes” neue Töne anschlugen. Ihren nicht bei allen Konzertveranstaltern beliebten Fans, den “Crazies”, wird die Erfindung des “Wreckings” zugesprochen, einer Form des Pogo-Tanzens, die sich haarscharf an der Grenze zur Schlägerei bewegt.

Andere bedeutende Psychobilly-Bands waren beispielsweiese “Demented Are Go” aus Wales oder “King Kurt”, ursprünglich “Rockin´Kurt and his Saur Krauts”. King Kurt wurden vor allem durch Auftritte in Zulu-Kostümen bekannt, bei denen sie angeblich tote Tiere ins Publikum warfen und Zuhörern Drogen verabreichten – für die beiden letzten Anschuldigungen gibt es aber keine Beweise.

Szenetreffpunkte und Plattenlabel

Zunächst einmal spielte sich die Psychobilly-Bewegung hauptsächlich in den sogenannten “Dive Bars” ab. So werden bis heute schmucklose englische Bars oder Pubs bezeichnet, die kaum Wert darauf legen, etwas anderes zu sein als Orte, an denen man sich trifft und (be)trinkt. In diesen dunklen Rückzugsorten fanden viele der ersten Psychobilly-Konzerte statt. Ab 1982 gab es aber noch einen ganz besonderen Treffpunkt der neu entstehenden Szene, der sich von den engen und schäbigen Dive Bars unterschied. Im Klub Foot in Hammersmith spielten sie alle, die wichtigsten Vertreter des frühen Psychobilly, auch die Meteors und zu Höhepunkten trafen sich hier fast 1000 Psychos zum gemeinsamen Wrecking.

Dafür, dass der fröhlich swingende und rockende Wahnsinn auch auf heimischen Plattentellern landete, sorgte dagegen vor allem das Label Nervous Records. Der Enthusiasmus, der dessen Gründer Roy Williams beflügelte, schien ansteckend zu sein. Denn Mitte der 80er Jahre überschritt Psychobilly langsam die englischen Grenzen und machte sich auf, neue Gefilde zu erobern.

Text: Johannes Jooß