Albumreview: Tami Neilson – Chickaboom

Tami Neilson, Chickaboom, Albumcover

Wer Tami Neilson live gesehen hat, vergisst das nicht so bald. Er versteht wahrscheinlich auch, warum manch einer die energiegeladene Neuseeländerin für die legitime Erbin von Wanda Jackson und neue “Queen of Rockabilly” hält. Chickaboom ist der neue Versuch, die Power dieser Live-Naturgewalt im Studio festzuhalten.

 

Kleine Besetzung, große Wirkung

Auf  dem Vorgänger Sassafrass hatte Tami Neilson noch mit 60s Soul und Funk geflirtet. Mit Chickaboom geht sie zurück zu ihren Wurzeln. Statt großer Besetzung mit Horn Section ist Minimalismus in bester Rockabilly-Manier angesagt: “I wanted to write an album of punchy little songs, popping firecrackers that, when stripped back to nothing but a guitar, percussion and two voices, would still go boom!”

Mission erfüllt. Begleitet von ihrem Bruder Jay an Bass und Rhythmusgitarre, Joe McCallum an Drums und Percussion und Leadgitarrist Delaney Davidson entfacht Tami Neilson auf Chickaboom ein Feuerwerk kraftvoller Songs zwischen Country, Rockabilly und Blues. Roots-Musik, so frisch und unverbraucht wie ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank und mindestens genauso wohltuend.

 

Chickaboom zeigt Tami Neilson in Bestform

Schon der Opener Call Your Mama legt die Messlatte hoch. Über einem lasziven Midtempo-Groove und wuchtigen Gitarren verkündet die Sängerin mit der Beehive-Frisur ihrem fiktiven Ex-Liebhaber, dass seine Habseligkeiten auf der Straße liegen und das Schloss ausgetauscht ist. Dabei entfaltet das Zusammenspiel von Tami Neilson und ihrer Band einen hypnotischen Sog, der manche Songs auf Chickaboom auszeichnet, allen voran Ten Tonne Truck, ein wuchtiger Shuffle, der seinem Namen alle Ehre macht. Die flotten Rockabilly-Nummern Hey, Bus Driver und Tell Me That You Love Me versprühen dagegen vor allem gute Laune.

Das Highlight auf Chickaboom ist aber eine Ballade. Im souligen You Were Mine zeigt Tami Neilson, wie viel Power ihre Stimme entfalten kann, wenn sie die Zügel komplett fahren lässt. Damit verweist sie sämtliche allseits bekannte Schnulzenköniginnen auf die hinteren Plätze und empfiehlt sich mal eben für den ultimativen James Bond Soundtrack.

Vielleicht würde sie den aber nur liefern, wenn der erste weibliche Bond über den Bildschirm jagt. Schließlich sind Emanzipation und Benachteiligung von Frauen Themen, die sich wie ein roter Faden durch Tami Neilsons Werk ziehen, auch auf Chickaboom. So zum Beispiel in Queenie, Queenie. Hier verarbeitet Tami Neilson die Tatsache, dass weibliche Countrysängerinnen ungleich härter arbeiten müssen als ihre männlichen Kollegen – allein deshalb, weil sie weniger im Radio gespielt werden. Außerdem widmet sie wie schon auf Sassafrass einen Song einer besonderen Kollegin. Sister Mavis setzt Mavis Staples ein Denkmal, eines, das die legendäre Soulsängerin freuen dürfte.

Das einzig Enttäuschende an Chickaboom ist, dass das Vergnügen so schnell vorbei ist. Denn was die Länge der Songs betrifft, orientiert sich Tami Neilsons neues Album an der Hochzeit des Rockabilly. Zum Glück kann man das Ganze einfach noch einmal hören. Und, glaub mir, genau das wirst du auch tun.