Horatio V

Horatio schrieb:

Besuch

Heute habe ich etwas Kopfschmerzen. Gestern hatten wir Besuch. Das kommt bei uns nicht oft vor. Mal abgesehen von Außerirdischen und Touristen, die sich für Außerirdische interessieren und die man abzocken kann, kommt hier selten genug jemand vorbei. Für uns ist das manchmal gar nicht gut zu unterscheiden, aber ich hab mal gehört, dass wir für Urlauber und Aliens auch alle gleich aussehen.

Es kam aber kein Fremder, sondern wir hatten Besuch von einem guten Bekannten – dem Förster. Eigentlich kam der Förster nur zufällig bei uns vorbei und da Nic ihn so am Waldrand herumschleichen sah, ging sie raus und es kam zu jenem oft schicksalsträchtigen wenn auch „kurzen“ Wortwechsel der sich vermutlich seit 200 Jahren nicht wesentlich geändert hat, den jeder kennt und der dennoch nicht berühmt ist – obgleich seine weitläufigen Folgen schon Kriege ausgelöst haben.

„Moin Förster.“

„Moin Bäuerin.“

„Wie iss?“

„Muss, und selbst?

„Muss auch. Kurzen?“

„Jau, einer geht wohl.“

„Horatio, hol mal Hollunder.“

Ich holte also den „Schwarzen Hollergeist“ wobei „schwarz“ sich weniger auf die Farbe des Holunders bezieht. Wobei Schwarz auch weniger eine Farbe ist. Wobei der Geist klar aussieht jedoch weniger den Geist klar macht. Wobei…oh, ging schon los.

„Ex und hopp.“

Was nun kam, war eine etwa einminütige Auszeit, in der drei Personen ihr gesamtes Leben an sich vorbeiziehen sahen. Keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass das Zeug bei Menschen die nicht daran gewohnt sind einen sofortigen Magendurchbruch verursacht.

Nic hat mal etwas davon auf unseren teuren Teppich tropfen lassen. Für einige Tage hatten wir freien Blick auf den Erdkern. Da es gerade Winter war, mussten wir eine Weile nicht mehr heizen. Auf Dauer war es uns aber doch nicht geheuer und wir füllten das Loch mit Erde aus H.B.’s Gemüsegarten und besorgten uns einen neuen – noch wertvolleren – handgewebten Teppich. (H.B.’s Frau hatte ihn nach draußen gehängt, weil sie offensichtlich keine Verwendung mehr dafür hatte.)

„Nicht übel.“

„Jau. Noch ein’?“

„Auf ein’ Bein kann man ja nich’ steh’n.“

„Ex und hopp.“

Ungeübte Betroffene würden an dieser Stelle bemerken, dass nach dem zweiten Pinneken dieses Fusels der Spruch „Auf einem Bein kann man nicht stehen.“ gar nicht zutrifft. Man kann überhaupt nicht mehr stehen. Wir haben ein altes Brauereipferd und dem haben wir mal aus medizinischen Gründen ein Schlückchen davon verabreicht. Die Pferdeäpfel vom Tag danach haben wir hinterher als Handgranaten zum Fischen in H.B.’s Forellenteich benutzt.

„’s Wedder sieht aus wenn’s kallld wird.“

„Brauch man wassum auwärm!“

„Jau. Damer drei sinn. Alle guddinge sinn drei! Nochein?“

„Wennu noch was übrichas!“

„Hihi, is der Pabs gadolisch?“

„Apro Pabst! An …an…an Habbees Feldrand habbich swei pabsmüdsen gefunn. Gomisch.“

„Jau, därs wiel inne Kirsche! Ham besdimt ne Prossion gemachd.“

„Exunopp!“

Diese Farben. Es heißt, dass Methylalkohol blind macht. Dafür sieht man gelegentlich Dinge, die anderen vorenthalten bleiben. Für einen Moment wird die Welt jedenfalls sehr bunt.

„Brösch!“

„Garrgel?“

„Zrrong!“

„XopP!

Das letzte woran ich mich erinnere ist, dass wir dem Förster sagten, er solle seinen Gewehrlauf doch in nord-nord-westliche Richtung halten, wenn er schon aus Spaß rumballern muss … gut, wir haben es ihm jetzt weniger mit genau diesen Worten gesagt, da wir nur noch zu gestikulieren in der Lage waren, aber ich glaube, er hat es trotzdem verstanden.

8 Comments

  • Martin Bayer sagt:

    unter uns sind wirklich gute Verfasser und Autoren, Kompliment !

  • Billy Bob sagt:

    Tja, so kennt man ihn! Ein Künstler der deutschen Dichtkunst, wunderbar!

  • Margaretha sagt:

    Also Horatio… wie war das noch …Nachst sind alle Katzen Blau ? Hab gerade noch meinen Laptop angeschmissen und was soll ich sagen, es hat sich gelohnt. Danke ! …und viele Grüße aus Telgte !

  • Anne sagt:

    Horatio Du bist der Beste. So was zu meiner Nachtschicht möchte ich jetzt jeden abend von dir ! Beste Grüße von der Spätschicht ! Anne die Nachtwache auf der P24

  • Also Horatio, sag mal, was trinkt Ihr denn da für einen Fussel bei Euch auf dem Land ?
    Ich hatte ja schon immer mit dem Gedanken gespielt, in den nächsten jahren aufs Land zu ziehen und dem Großstatdtlärm den Rück zu kehren… Aber jetzt muß ich mich wohl beeilen. Sag mal Bescheid, wenn neben der Farm von H.B Platz ist, dann mach ich da ne Kneipe auf und verkauf dort den Hollergeist als UFO-Treibstoff … Glück auf ! Und lass die Tasten jucken !

  • nicole sagt:

    Dieser Blog ist echt das Beste, dass ich seit langem im Internet gelesen habe.
    Wenn ich “Pabstmütze” lese, muss ich mich immer wieder vor lachen krümmen.
    Bitte mehr davon.

  • Nina Sanders sagt:

    Jetzt will ich mich auch mal zu Wort melden. Ich finde die Briefe von Horatio echt genial. Zum totlachen. Auch meine Kollegen und meine Chefin stehen voll drauf, wir haben uns gerade zusammen fast kringelig gelacht über den letzten Brief. Mann geht das auf dem Land wirklich so zu? Ich wohne in der Großstadt, und habe null Landerfahrung, aber ich könnte mir vorstellen, dass es da teilweise echt so zugeht.
    Jedenfalls echt gut geschrieben.
    Kenne schon einige andere Kommentare vom Autor aus dem Forum und war deshalb echt gespannt. Da ich aus der RocknRoll-Zene komme, habe ich auch einen leisen Verdacht wer der Autor sein könnte, muss ich mal ausrecherchieren, vielleicht bestätigt sich ja mein Verdacht dann.Aber egal, ich würde dich, lieber Autor, gerne mal treffen und dich fragen wie man auf sowas kommt. Ich habe glaube wir haben den gleichen Humor…
    Jedenfalls schreib schnell weiter, ich kann die nächsten Briefe von Horatio kaum erwarten.
    Kuss und Gruß aus essen von deinem Fan
    Nina

  • Jochem sagt:

    WAHNSINNN !!! Wo gibbet den Hollergeist zu kaufen ? Wäre ein geniales Weihnachtsgeschenk für meine verstaubte Verwandschaft, alle sitzen zu hause zusammen und glotzen auf den Erdkern… Horatio Du bist der Beste ! Sowas am frühen morgen und der Tag kann nur gut werden. Grüße vom Jochem aus Herten

Comments are closed.