It’s not easy bein’ fat and greasy

It’s not easy bein’ fat and greasy – Zu Gast bei den SpeedshifterS in Michigan

Den 77er Opel Kadett City gerade erst an eine Rock’n’Rollerin aus Dortmund verkauft, stand ich bereits am nächsten Tag mit der Kohle auf der Matte vom Wattenscheider Reisebüro.

“Einmal USA, bitte.”

“Gerne, wo soll es denn hingehen? New York oder Kalifornien, vielleicht?”

“A wat, einmal Detroit, bitte.”

Zwei Wochen später mit Delta Airlines in einer völlig runtergekommenen Boeing in eine noch runtergekommener Stadt. Detroit, einst Mutterstadt des Hubraums, Wiege der geilsten Schlitten, die die Welt je gesehen hat, lag 2006 in Trümmern, weil die Mehrheit der Amerikaner sich bereits in den Neunzigern dazu entschieden hatte, dass es viel cooler sei, Toyota zu fahren. Aber der Rust Belt an den Ufern der großen Seen ist immer noch hochgradig benzinsüchtig. Pro Stock Muscle Car Drag Racing in Stanton, School Bus Demolition Derby in Toledo, in Dearborn vor dem Lincoln Continental Cabrio gestanden, in dem 1963 Kennedy erschossen wurde. Ein zweiwöchiger Traumurlaub, ohne auch nur eine klassische Sehenswürdigkeit besichtigt zu haben.

SpeedshifterS - USA

SpeedshifterS

Nach zwölf Tagen Autowahn im Mittleren Westen den Urlaub langsam in Marshall ausklingen lassen und bei Wal Mart ein letztes Mal nen 24er Karton Pabst Blue Ribbon, Analog-Käseschnüre und Hershey’s Milk Drops kaufen, als uns ein Flyer an der Glasschiebetür anspringt. “SpeedshifterS Wheel Club Summer Show and Party. 15 Mile Road, Landfill Stadium.” Die auf dem Flyer gezeichnete Skeletthand, die einen Hurst Shifter schaltet, überzeugt und Tag 13 der Oktanreise wird sich genauso im höheren Drehzalbereich abspielen wie die 12 Tage davor. Auf dem Parkplatz vor dem Super Store spricht uns ein uralter Sheriff an, der mit seiner steifen Hüfte gerade so aus seiner Crown Victoria Bullenwanne aussteigen kann. Fragt uns, wo wir her kommen, “Aha, Germany…”, “Zweiter Weltkrieg…”. Findet uns total nett, und nach Europa will er demnächst auch mal reisen und so, bis die Stimmung an dem Punkt kippt, an dem wir Russland als zweite Weltmacht bezeichnen, so von wegen Kalter Krieg, Berliner Mauer und so weiter. Sheriff Steve K. (er gab uns vorher seine Visitenkarte, wofür auch immer…) flucht, spuckt, geifert, versucht uns mit Blicken zu töten, murmelt irgendwas von festnehmen, und wackelt energisch und dabei leicht hinkend in den Wal Mart. Spätestens hier hätte uns klar sein sollen, das mit den Jungs hier in Marshall was nicht stimmt.

Nach einer unruhigen Nacht ohne Festnahme durch Steve K. in einem siffigen Motel an der Ausfallstraße der Kleinstadt, geht es Mittags mit dem Leih-Pontiac die 15 Mile Road runter Richtung Landfill Stadium. Wie der Name schon sagt, ist unsere Zielstraße ernsthaft 15 Meilen, also 24 Kilometer lang. Nach dem dritten Mal rauf und runter immer noch kein Stadion gesehen und einen Jogger (wahrscheinlich den einzigen Michigans) angehalten und nach der Party im Landfill Stadium gefragt. Der Typ in Nike-Kluft kommt an unser Seitenfenster, lacht, zeigt uns doof und joggt weiter. Wahrscheinlich der Schwiegersohn des Sheriffs. Als wir schon eigentlich gar keinen Bock mehr haben, kommt uns ein mattgrauer 1965 Oldsmobile entgegen. Handbremse gerissen, Schleuderwende und mit unserem gelben Plastik-Sportler hinterher. Ein, zwei Meilen später biegt der Olds rechts auf eine kleine Farm mit roter Scheune ein. Direkt hinter der Farm baut sich eine mächtige Müllkippe auf, die den gesamten Bauernhof stadionartig umschließt. Reisen bildet Teil 1: Landfill heißt zu deutsch Müllkippe…

SpeedshifterS - USA

SpeedshifterS – USA

Die Summer Show der SpeedshifterS hat mehr den Charakter eine privaten Geburtstagsparty. An der Einfahrt zahlt man 5 Dollar Eintritt und wird von der stämmigen Blondine gebeten, “the ugly car” hinter den Büschen zu parken. Die einheimischen Rednecks beäugen uns anfänglich skeptisch, vielleicht stecken sie mit dem Sheriff und dem Fitness-Typen unter einer Decke. Doch mit Einbruch der Dämmerung und steigendem Pegel kommen auch die Amis langsam aus sich heraus. Moonshine in Plastikkanistern macht die Runde, die ersten Reifen explodieren auf der Burnout-Platte, die Dorfschönheiten kennen beim Boobs Contest keine Hemmungen und bei der großen Tombola gewinnen wir ein zwölfteiliges Zangenset. Währenddessen kreisen unentwegt Möwen über uns und scheißen das Gelände zu, weil auf der anderen Seite des Zauns die ganze Nacht über Radlader den Müll umschichten. Irgendein Typ aus Indiana gewinnt den Bierfassweitwurf, ich werde eingeladen, einen 1952er Ford 8N Trecker zu fahren, weil Europäer ja mit Handschaltung umgehen können und irgendwann fangen die ersten Rednecks an, besoffen ins Buffett zu fallen oder sich zu prügeln. Ein Typ mit Husky-Motiv auf dem Pullover und Strasssteinen auf seiner 80er-Jahre-Goldrand-Brille robbt an mich heran und will mit mir über Astrologie sprechen, der Gastgeber macht kryptische Durchsagen mit einem Megaphon und irgendwann verliere auch ich moonshine-bedingt im Mondschein das Bewusstsein.

Reisen bildet Teil 2: Es muss nicht immer Kalifornien sein. Die besten Autoparties finden bei Nieselregen im Mittleren Westen am Rande von Müllkippen statt.

Als dies dem TSA-Officer am nächsten Morgen bei der Sicherheitskontrolle erklärt wird, während er einen Sprengstoffschnelltest an dem selbstgeschweißten SpeedshifterS-Pokal für die längste Anreise durchführt, nimmt man unsere Koffer erst recht auseinander. Letzten Endes dürfen wir aber doch an Bord. Zwei Menschen mit zwölf Zangen. Besoffen, verkatert, stoned, gut drauf…

Text & Bilder Norman Gocke

1 Comment

  • Andreas Emmeluth sagt:

    Da hast Du aber eine richtig schöne Reise hinter Dir.Sehr schön geschrieben, da ist man gleich Live dabei. Liebe Grüsse Andy aus Kassel

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