Horatio VIII

Horatio schrieb:

Eine Beerdigung

Als ich vor einigen Tagen Hannibal am Telefon verständlich machen wollte, dass es sich bei Öppas Unfall um die schlechte Nachricht handelte, hatte ich nicht bedacht, dass Hannibal dies durchaus als die gute Nachricht sehen könnte.

Immerhin hatten seine Frau Adelheid und er ja seit geraumer Zeit die Hoffnung gehabt, den Alten beerben zu können. Ein Leben in Saus und Braus schien den beiden in greifbare Nähe gerückt. Für Adelheid ergab sich überdies die Hoffnung, der für sie widerlichen Landbevölkerung endlich den Rücken kehren zu können. Man möchte anmerken, dass Adelheid von hinten zu sehen, für die Landbevölkerung eine ernsthafte Bedrohung sein könnte, weil eine Milchkuh von hinten besser aussieht als Adelheid.

Wenn man es genau nimmt, sieht sie auch von vorne besser aus. Also die Kuh.

Also die Kuh sieht von hinten besser aus als Adelheid von vorne – alles klar? Und nicht nur für die Landbevölkerung sondern objektiv.

Wie auch immer hatten die beiden es ziemlich eilig, Öppas Wasserleiche unter die Erde zu bringen.

Der Pastor versuchte zunächst Schwierigkeiten zu machen. Hannibal und seine Frau und auch Öppa wären keine Mitglieder der katholischen Kirche und sie würden auch keine Kirchensteuer bezahlen. Hannibal erinnerte ihn daraufhin daran, dass die Bauern aus dem Kreis schon seit langem von der Kirchensteuer befreit seien und dass der bäuerliche Brauch “Jemandem den Hahn aufsetzen” nichts mit dem Wetterhahn des Kirchturms zu tun hätte und auch vor diesem nicht Halt machen würde. Als auch das der Sturheit des Pfaffen keine Abhilfe verschaffte, erinnerte Hannibal ihn außerdem an seinen Bruder Hector. Richtig, der ist 2,28 m groß. Der Pastor damals wollte Nic nach ihrer Geburt nicht taufen, weil die Familie nicht der römisch-katholischen Kirche angehörte. Worauf Hector ihm demonstrierte, dass ein Mensch theoretisch auch in einer Pfütze ertrinken kann. Im Besonderen und praktisch kann er auch in einem Taufwasserbecken ertrinken und die anschauliche Beweisführung Hectors veranlasste den Pastor schließlich zu einer Meinungsänderung.

Allerdings wollte der Kirchenvater den Leichnam gerne vor Allerheiligen unter der Erde haben und der einzig mögliche Termin, der sich auf die Schnelle für eine Beerdigung ergab, war der 31. Oktober, also Halloween.

Gut, für einen Städter ist Halloween ein Termin an dem man die Wohnung mit Kürbisnippes schmückt und seine Kinder mal eine Weile los wird, weil man sie zum Bonbon sammeln in der Nachbarschaft rumschicken kann.

Auf dem Land jedoch … gibt es GEISTER! (Grollender Donner und gruselige Orgelmusik erklingt)

Das größte Unheil an Halloween richtet sicherlich der berüchtigte Schwarze Hollergeist an. Aber auch Hexen, Kobolde und allerlei Spukgestalten treiben hier auf dem Land ihr böses Unwesen. Einige “Unwesen” sind eigentlich ganz in Ordnung. H.B. zum Beispiel haben Unwesen aus der Geisterwelt mal in einer einzigen Halloween-Nacht seine gesamten Roggenfelder abgeerntet. Da Nic und ich eine sehr gute Beziehung zu den Geisterwesen haben, hatten wir in denselben Jahr eine unverhofft gute Roggenernte, quasi hatten wir doppelt soviel Roggen wie sonst. Man muss es sich halt mit manchen Leuten gut halten.

Na, jedenfalls standen wir jetzt alle mit Trauermiene vor der ausgehobenen Grube im Regen. Alle waren gekommen, die Bauern, die Dorfbewohner, die Verwandten, die Bekannten und vor allem alle diejenigen, die sich vom Leichenschmaus versprachen, eine Mahlzeit sparen zu können.

Einige hatten sich aus Angst vor den Geistern mit Schutzzaubern behängt. Bauer Dröge hatte vier Hufeisen an einer Schnur um. Hector – ein Kerl wie ein Baum – trug seine Kleidung verkehrt herum und H.B.’s Frau war mit Girlanden aus vierblättrigen Kleeblättern behangen. Sinnigerweise waren diese aus Plastik und in wirren Intervallen blinkten batteriebetriebene LED-Lämpchen auf. Nic und ich hatten dem Anlass angemessen unsere Pabstmützen auf, die auch vor dem Regen schützten, wenn man die Spitzen umknickt. Dafür warf uns der Pastor einige böse Blicke zu.

Es regnete und es regnete. Und wie es regnete. Es gibt Dinge, die man im Leben lieber nie gesehen hätte und dazu gehörte vor allem anderen Adelheids Gesicht, wenn ihre Schminke verlaufen war. Dazu bedenke man, dass man Adelheids Gesicht sowieso lieber nie gesehen hätte, selbst wenn es geschminkt war.

Hannibals Gesicht selber wies einige schwere Blessuren auf und seine Nase war gebrochen. Er sah quasi aus, als ob ihm ein Elefant ins Gesicht getreten hätte. Er sah also seiner Frau Adelheid sehr ähnlich.

Vor Kälte und Nässe bibbernd leierte der Pastor seine Grabesrede herunter, wohl wissend, dass nicht drei viertel der Anwesenden Kirchensteuer bezahlten und ungehalten ob der heidnischen Schutzzauber, die einige der Trauergesellschaft an sich trugen.

Es war erst Nachmittag doch der Himmel war schwarz wie die Nacht und als der Pastor nun sprach: “Asche zu Asche! Staub zu Staub!” geschah es. Ein dumpfes Klopfen ertönte. “Poch! Poch!”

Eine unheimliche Stille legte sich über die Trauergesellschaft und dann war es ganz deutlich zu hören: “Poch! Poch!” Und das Klopfen …

…kam deutlich aus Öppas Sarg! (grollender Donner und gruselige Orgelmusik erklingt abermals)

In diesem Moment wurde die ganze Szenerie hell erleuchtet. Das Licht – das Licht kam von oben und über uns allen erschien eine fliegende Untertasse und eine alles erfüllende Stimme donnerte wie aus einem riesigen Megaphon: “Den könnt Ihrrr behalten! Wirrr wussten nicht, dass ihrrr derrrarrrtig starrrke Waffen besitzt! Es ist ja nicht auszuhalten mit ihm! Wirrr sehen von einerrr Errroberrrung dieses Planeten ab. Fürrr’s errrste!”

In einem bläulichen Strahl wurde nun eine Person auf Öppas Sarg hinuntergebeamt, die H.B. verdächtig ähnlich sah. Die Person war nackt und in ihrem Hintern steckte etwas, das wie kompliziertes medizinisches Gerät aussah. Das Raumschiff war dann so schnell verschwunden, wie es erschienen war.

Zur gleichen Zeit wurde das Klopfen aus Öppas Sarg energischer. Hannibal, der um sein Erbe fürchtete, ergriff eine Schaufel und begann wie wild Erde in die Grube und auf den Sarg zu schöppen. “Ich höre nichts! Hört ihr was? Das sind alles die Außerdirdischen!” Doch in diesem Moment war es klar und deutlich zu hören: “Höhöhöhö, jajajaja!”

Der Sargdeckel hob sich und wer schaute uns vertraut debil grinsend an?

Öppa!

Wir werden wohl nie erfahren ob er nun scheintot gewesen war oder ob die Geister oder die Außerirdischen dafür verantwortlich waren. Das Bild aber von H.B. und Öppa in der Grube, während Hannibal von vier kräftigen Männern festgehalten werden musste, damit er die beiden nicht lebendig begrub, das wird uns noch lange in Erinnerung bleiben.

Wir haben Öppa dann schuldbewusst noch ein, zwei Tage bei uns behalten und wieder aufgepäppelt. Schließlich haben Hannibal und Adelheid ihn jedoch wieder zurücknehmen müssen, denn es gibt für alles eine Grenze des Erträglichen.

Fast ein Happy End, oder? Wenn man mal davon absieht, dass H.B. wieder unter uns weilt.

2 Comments

  • Claudius sagt:

    Hei Ho Horatio ! …wann geht das denn hier weiter… mal so ganz frech gefragt, es dürstet mich nach Nachschub.. Grüße aus dem hohen Norden

  • Der Werrentner sagt:

    Hihi, hervorragend! Hatte heute morgen schon mal geschaut, aber nun wurde ich ja noch mit meiner Dosis Horatio versorgt. Sehr schön, danke dafür!

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